Start Allgemein M´era Luna 2023 – Bericht versus Impressionen

M´era Luna 2023 – Bericht versus Impressionen

908
0

M´era Luna, ich fühl dich und die zwei erlebnisreichen Tage mit insgesamt 21 Kilometer laufen und vor Bühnen verweilen schlagen in meine sämtlichen Gliedmaßen durch. Meine Kamera wiegt schwer, die Leute für Fotos ansprechen dagegen fällt mit einem Lächeln für das Gegenüber leicht. Wobei mein Hirn gerade die überlauten Bässen von Project Pitchfork verarbeitet, bei deren Auftritt die dunklen Wolken platzen. Hier folgt ein ganz persönlicher Rückblick ohne Gewähr auf Vollständigkeit der Abbildung des Geschehens. Danke an alle, die ich fotografieren durfte.

Regen und Traurigkeit

Wie das komplette Infield feiere ich „Rain“ bei strömenden Nass von oben – und fühle mich später bei der an ein Begräbnis erinnernden Performance von Ville Valle traurig berührt, trotz Kult-Songs wie „Join me“ von den Dark-Rockern Him. Seine Band stand bereits im Line-Up des ersten M´era Luna 2000. Ein Wechselbad, wobei seine Begleitmusiker aktuell einen richtig guten Job leisten. Altersmäßig stehen gemeinsam mit mir viele Fans auf dem Feld, die sich zwischen den 1980s und 1990s in der gespreizte Schublade Schwarze Szene verlieren.

 

 

Oder sich mit Gothminister neu im Industrial-Elektro-Gothic-Metal verorten.Dunkel, düster, dark, stark. Gemeinsam ist uns allen, uns von der elektrisierenden Musik in der Seele berühren zu lassen, die das Tanzbein zittern lässt wie von den EBM-lern Solar Fake und – das Kribbeln im Bauch innerhalb der Gewöhnlichkeiten des Lebens gothicmäßig aufrecht hält.

Ashbury Heights sind mit ihrem Synth-Pop analog zu Bands wie Camouflage definitiv ein Kandidat, der wiedergebucht wird. Wobei mittlerweile zwischen der düsteren Romantik von L´Ame Immortelle und Letzte Instanz Welten und Publikumsnähe liegen.

 

Sicher könnten man bedauern, dass das Programm auf dem Hildesheimer Flughafen musikalisch mehr auf Konstanz und Profit denn auf Abwechslung zielt, doch wie in jedem Jahr gibt es erneut schwarz-polierte Perlen zu entdecken. So wie die Premiere von Manntra auf dem Hildesheimer Flugfeld.

Die Kroaten bewegen sich irgendwo zwischen Folk-Rock, Industrial Metal, Folklore und Mystik und reißen in diesem Jahr die Club Stage ab. Bildlich gesprochen. Dazu später mehr in der Bildergalerie.

Der Rest der wettermäßig wechselhaften Tage auf dem geteertem Airport-Grund gestaltet sich einfach: Freunde und Familie treffen, gemeinsam feiern, unbekannten Menschen Komplimente machen, gute Gespräche führen und Gruppierungen wie Gothminister lauschen, die sowohl Auge wie Gehörgänge entzücken.


Surprise

Wie viele Genres des dunklen Spektrums das M´era Luna abdeckt, steht im Auge des Betrachters. NDH, Goth, Rock, Electro, Techno und Witt gehören definitiv dazu. Tatsächlich steht letzterer am Sonntag mit Heppner auf der Main – wie oft wünschten sich Fans bereits eine solche Zweisamkeit live? Überraschungen on Stage, die nach den ersten drei Songs auch Fotografen nur aus der Ferne erleben.

Als Fotomenschen verstehen wir durchaus, dass die Fans die Gothic Modenschau ohne herumlaufende Kamera-Typen genießen möchten, doch Fotos aus der Ferne spiegeln nicht wieder, was die Gesichter beim Wandeln auf dem Laufsteg ausdrücken. Für uns gibt es daher in diesem Jahr keine von dieser traditionellen Mera-Veranstaltung, doch ein Kleid wollen wir euch nicht vorenthalten, es ist geschneidert aus Geld. Wogegen der Walk auf den Tower ein klares Muss darstellt.

Fürs Gemüt gesprochen, ist der Gang über das weitläufige Flugplatzgelände ein Akt des Schwelgens. Da gilt es, die Accessoires beim Stöbern in der Gothic Fashion Town zu finden, sich von den verlockenden Gerüchen auf das Mittelalter-Gelände ziehen zu lassen, Merch und Futter für den Leib zu konsumieren. Wobei beispielsweise die Fleischspieße mit 10 Euro um einen Euro günstiger sind als auf Wacken.

Zwischen den zwei Stages Main und Club trudelnd, die geschmacklich ein breites Spektrum musikalischer Düsternis abdecken, kurz, mittendrin im düsterbunten Geschehen verspüren wir eine unbändige Lust am Leben. Über 4.000 Bilder warten jetzt darauf, handverlesen unters Volk gebracht zu werden. Auf gehts.

Fazit: M´era Luna, im Festivalsommer 2023 atme ich intensiv die schwarze Szene ein, die sich so unfassbar kreativ, sensibel und offen für das gesellschaftliche Anders gibt. Statt Kopfschütteln oder Anfeindungen beispielsweise für Kleidung jenseits des Modefaktors, bekommst du als Teilnehmer hier dito Lob von den Medien? Wobei das sich geben, wie man sich fühlt oder gesehen werden möchte, in einer toleranten Gesellschaft eigentlich selbstverständlich akzeptiert sein sollte. Er, Sie, Es, LGBTQ, egal.
Was die Auswahl der Bands betrifft, die dem erweiterten Düsternis-Genre zugerechnet werden, zeigt sich, dass innerhalb einer gewissen Zeitspanne sämtliche Headliner kontinuierlich gebucht werden und damit planbar für die Fans sind. Späte Überraschungs-Acts wie VVs Heartagram kämpfen mit der Müdigkeit nach einem langen Festivaltag.

Mein besonderes Dankeschön gilt dem Hochzeitspaar, sowie den Fans, die mit rotem Sonnenschirm aus Florenz angereist sind.