Schattenmann feiern die Premiere ihres neuen Silberling „Día de Muertos“ am 30. Juni. Das 10-Track starke NDH/Dark Rock-Album erscheint via AfM Records und spaltet unsere Nerven.
Die kurzgefasste Ansage von Komponist/Texter Frank Herzig und seinen drei Bandkollegen Jan Shook(Gitarre), Luke Shook(Bass) und Nils Kinzig(Schlagzeug) dazu lautet via Pressetext: „Wir möchten, dass die Fans durch unsere Musik berührt werden und etwas für sich persönlich mitnehmen.“ Ob ihnen das gelingt? Lest selbst.
Was sagt es über ein Album aus, wenn sich gleich der Titeltrack wie ein blutglücklicher Vampir im Gehör festkrallt? „Día de Muertos“, mexikanische Trompeten, Coyotenheulen, Sonnenuntergang mit Cocktails und „ay caramba“ – musikalisch gesprochen stehen Electric Callboy (EC) und Eisbrecher Spalier, um mit den Schattenmännern gemeinsam in der Glut zu rocken und rollen. Mit Fun-Metal und räudigen NDH gelingt dem Nürnberger Quartett ein abwechslungsreicher Auftakt nach Maß.
Mit Tempiwechsel von zart bis hart, tanzbarer Melodie, mitsingbaren Schunkel-Reimen -„wir feiern das Leben, den Tod und die Zeit, bis zum Ende, so lange uns noch bleibt“- und der klaren Absicht, live die Stage abzureißen. Das sollte ihnen mit diesem Brett gelingen, dann aber bitte mit diesen hervorstechenden Bläsern.
Thematisch steht – wie in Mexiko als alljährliches Festtag- der Besuch der Toten aus dem Jenseits an. Am Día de Muertos feiern deren Geister gemeinsam mit den Lebenden ein Wiedersehen. Wer sich für diese Totentanz-Party nicht erwärmen kann, der kann sich den Rest des Silberlings schenken. Musikalisch gesehen, ziehen Schattenmann hier bereits am roten Faden des Albums. Orientiert an dem, was neudeutschhart nachahmbar gefällt und im Refrain mit Plattitüden gespickt ist. Und genau das ist seine Schwäche.
Die Kernaussage von „Jeder ist schlecht“-, besagt, dass sich für jedes Individuum, je nach Alter, moralisch und im übertragenen Sinn Leichen im Keller finden lassen. Der zornige Song rollt trotz reizvoller Synth-Einlagen metalmäßig rund ins Abseits des bereits oft von uns beanstandeten Aufwärmens von Melodie, Sound, Aufbau und Abgang. Ebenso wie das eingängige, wenig kontrastreiche „Haters Gonna Hate“. Mit dem Auf und Ab, wie es diese Scheibe in Reihe kontrastiert, müssen die Hörer leben.
Provokationen gehören zur Tagesordnung der Schattenmänner. Die allgegenwärtigen und gefühlt immer stärker manipulierenden Medien sind Thema von „Hände hoch“ – wobei lyrisch gesehen simple Ansagen wie „Hände hoch, Hysterie, Hände hoch, f*** euch ins Knie“ mitgröhlbar die gesellschaftliche Stimmung gegen die berichtenden Medien weiter aufheizen. Es sei denn, man versteht Sarkasmus. Mit special guest-Sängerin Scarlet Dorn springen Schattenmann auf den von o.g. EC und Feuerschwanz losgetretenen Glam-Rock-Hype-Train Richtung 80s auf. Döpdöpdöp, Industrial Metal, elektronische Beats, elektrisierende Hooks und geschmeidige Grooves, geil. Weiter geht’s – Achterbahnmäßig.
„Menschenhasser“ handelt von Mobbing und beginnt mit synthetischem Geklimper, ehe sich die harten Gitarren und Drums zur Chefsache erklären und die glatten Electronics zum Riff-over-Beat-Battle fordern, der unsere Ohren nur mäßig inspiriert. Textlich kotzt sich Herzig gekonnt zum Thema Außenseiterdasein („Gesellschaft ist die reinste Qual“) aus. Doch seiner ausdrucksstarken Stimme fehlt ein modellierendes Up-Down. Es ist einer dieser Songs, der wie das im Oomph-Plätscher-Metal-Stil verfasste „Meer aus Licht“, entweder gefallen – oder gar nicht.
Wenden wir uns den NDH-„Dämonen“ zu, die High Speed mainstream im psychotischen Kopf tanzen, wozu exakt die Schreie des Fronters passen. Blenden wir die vorigen Tracks aus, zeigt das bayrische Quartett mit „Dickpic“ atypisch Engagement und Entertaining vereint. Sie nehmen bissig und gesanglich unterstützt von der fantastischen Anna Lux ein frauenverachtendes Männerbild aufs Korn: Die Selbstdarstellungs-Versender. Musikalisch gibt es hier, Danke Anna, irgendwas mit Pop auf die Zwölf. Daher Daumen hoch.
Ein Lied, welches zukünftig auf keinem Schattenmann-Konzert fehlen darf, kommt fast zum Schluss. Die Ballade „In deinem Schatten“. Mit dem nach opulentem Auftakt aufs Wesentliche reduzierten Sound, der Feuerzeug-Stimmungsmelodie inklusive der rauen Stimme, erreicht die Band endlich ihr Ziel und versöhnt den berührten Hörer. Es wäre der perfekte Closer gewesen.
Doch der Silberling endet mit dem rockig-verschmusten „Ewigkeit“. Und darüber mögt ihr anhand unserer Kritik selbst euer Urteil fällen.
Fazit: Mit „Día de Muertos“ steht der vierte Silberling der Schattenmann-Familie an. Kraftvoll, dynamisch, mit Industrial-Einflüssen, soweit stimmen wir mit der Werbung für das Album überein. Besonders der Titelsong beinhaltet kompositorisches Glamrock-Neuland für die Vier aus Nürnberg und stellt den Höhepunkt des Albums. Das geschliffene Mastering stammt übrigens von Christoph Beyerlein (u.a. Subway To Sally, J.B.O.).
Die musikalische Nähe zu Hämatom, Megaherz und Eisbrecher spiegelt sich in Schattenmanns neuestem Werk wieder. Wobei: Einen Sound mit branchenüblichen Riffs, mörderischen Drums, groovendem Bass und eingestreuten Synthesizer-Vibes auf die eigene Marke zu perfektionieren, stellt für Musiker der Schwarzen Szene kein Hexenwerk dar. Und Herzigs verrauchte Stimme besitzt kein Alleinstellungsmerkmal. Trotz der o.a. Abstriche, das Album fängt besondere Momente ein.
Beim Titeltrack sind es die Bläser, die das Hirn freipusten. Die muss man einfach lieben. Auch die weibliche Verstärkung mit Anna Lux und Scarlet Dorn tut richtig gut. Also wenn ihr Schattenmann noch nicht in euren Regalen habt, lauscht mal in „Día de Muertos“ rein.
Punkte 8 von 10
Tracklist:
CD oder DVD: (00:35:21)
01.Día de Muertos
02.Jeder ist schlecht
03.Hände hoch
04.Menschenhasser
05.Dämonen
06.Meer aus Licht
07.Haters Gonna Hate
08.Dickpic
09.In deinem Schatten
10.Ewigkeit
Schattenmann
Día de Muertos
Label: Afm Records
VÖ: 30.06.2023
Genre: NDH / Dark Rock
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