Start Allgemein Deutsch-Rock umgewälzt: Antiheld – Support: Mischa – Bericht

Deutsch-Rock umgewälzt: Antiheld – Support: Mischa – Bericht

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Antiheld sind derzeit auf Tour mit ihrem letzten Album „disturbia“. Wir greifen uns die Stuttgarter Jungs auf ihrem Hamelner Konzert, halten die Fete im dampfenden Sumpfe-Saal mit der Kamera fest und lauschen dem Gefühle beschwörenden Pop-Rock-Indie-Alternative-Mix. Stadtfest, intim und Bühne – können sie. Im Support stehen Mischa. Kleinstadtkünstler, die mit ihrer Rockbiene Mimi Lust auf mehr Live machen.

Zuletzt lasen die Fans diese Ankündigung von der Band, die stellvertretend für viele Künstler galt: “Hey Familie, wahrscheinlich konntet ihr es euch schon denken… Wir haben bis zuletzt gehofft, aber die Entwicklungen dieser f*ck Pandemie lassen uns keine andere Wahl, als die Tour auf Anfang 2023 zu verschieben…“ – Doch Antiheld sind, ohne Scheiß, geboren für diesen „Scheiß auf der Bühne“. Für Mischa gilt selbiges.

Als Vorband verdienen sich die unzarten Mischa geschmeidige Pop-Rock-Sporen durch stimmliche Frauenpower und mit den hörenswerten Stories auf deutsch. Erwähnen wir, dass uns ihr Wirken an Jennifer Rostock erinnern? Ja. Draußen vorm Club verarbeitet die quirlig-charmante Frontsängerin Mimi das gerade Geschehene glücklich und wir erfahren im Gespräch, dass ihre Band aus der Kleinstadt Biberach an der Riß, unweit von Stuttgart, stammt. Das Energiebündel des Support-Acts erzählt, wie sie durch Luca von Antiheld einen Schluss für ihren Song „Rosé“ gefunden hat. Mischa gründeten sich 2017, auch für deren Mitglieder gilt, ernährungstechnisch machen Musik und Touren nicht satt. Weshalb neben Musiklehrern auch IT-ler in der Band spielen oder sozialen Berufen nachgehen, wie Mimi. „Kleinstadt“ ist klar der Song, den Hameln feiert. Die begonnene Party eskaliert mit dem heißgeliebten Hauptact.

Die Galerie von Mischa findet ihr hier hier

„Wir sind Antiheld, ihr seid Hameln. Das ist eine explosive Mischung“ -Zitat Luca Optifanti

Gut, der Name der Stadt wäre vermutlich austauschbar. Die Stuttgarter, einst Straßenköter-Pop auf Altstadt-Pflaster klampfend mit Donation-Mütze auf dem Boden, überraschen bei diesem Club-Gig mit einem deutlich härteren Sound und engagierten Texten. Für die Antihelden-Masterminds Luca Opifanti (Gesang) und Matze Brendle (Gitarre) plus Live-Unterstützung gilt, lieber den Kühlschrank füllen mit dem, wofür sie stehen, als inhaltslos irgendwo im Radio herum zu dümpeln. Das Album lohnt ein Reinhören, eine Kostprobe bietet „Motten um Licht“, ein neuer Song, der als Rap-Rock-Track Richtung Casper flattert.

Abgesehen von den beliebten Gassenhauern vergangener Zeiten wie „Berlin am Meer“- bekommen die Zuhörerenden auf dieser Tour Stories auf die Ohren, die bitter nachdenklich das Weltgeschehen der letzten Jahre mit seinen Umwälzungen beleuchten. Ein Titel der aktuellen Antiheld-Setlist lautet „Irgendwo stirbt grad ein Kind“. Der Song stammt vom oben genannten 2021 erschienenen Silberling, den wir daher mit „Verstörend“ übersetzen. Antiheld geben sich politischer, leidenschaftlicher, kompromissloser – und suchen, wie erhofft, mit Kuschelrock die Nähe ihrer Fans.

Sich positionierend gegen Ideologien, die Menschen beißen, für ein friedliches Miteinander. Sich beschäftigen mit belanglosen Alltäglichkeiten fern jeglicher Politik, wäre ein Weg. „Find what you love“ – klingt nach einem geschmeidigen Popsong. Das Lied handelt von bedingungsloser Liebe und entsprechend textsicher singen die Sumpfe-Gäste es gekonnt mit. Vernebelt und akustisch, mit Luca und Matze, als Schattensänger und -gitarrist, inmitten des Publikums, kräuselt sich Gänsehaut und so einiges mehr. „Mach Mirn Kind“, lautet die Antwort von verliebten Antihelden-Fans.

Gemeinsam mit den 300+-Besucher erwartet wir den Song, der auf keinem Antiheld-Konzert fehlen darf: „Ficken für den Weltfrieden“, die Bock-auf-Live-Orgie schlichtweg. Der Frontmann wirft sich auf die Hände seiner Fans und lässt sich durch den Club tragen. Nach etwa 100 Minuten ist Schluss mit dem schweißtreibenden Gig. – Nicht ganz.

Zur Musik von Materias „Kids (2Finger an den Kopf)“ stehen Vorband und Hauptgruppe gemeinsam für einen Schlussakkord auf der Stage. „Klatschnass und stinkend“ -nach eigenen Worten- geht es für die Antiheld-Musiker anschließend weiter zu den Fans, die bereits am Merch-Stand warten. Die Ansage erschreckt diese nicht, denn Live bedeutet schlichtweg, mit allen Sinnen dabei sein.

Setlist Antiheld
Sommer unseres Lebens – Ma Petit Belle – Präsidenten – Motten um Licht – Alles Gute für den Winter – Babylon – Herz – Irgendwo stirbt grad ein Kind – Find What You Love – Sonnenkind – Goldener Schuss – Kellerclub – Berlin am Meer – Wenn die Welt brennt – Für immer – Mach Mirn Kind – Chaos – Ficken für den Weltfrieden

Die Galerie zum Konzert mit Antiheld findet ihr hier hier

Fazit: Wer nur auf den fetten Tourbus mit dem Antiheld-Bandlogo, der nach vier Jahren Abstinenz wieder direkt vor der Sumpfblume parkt, schaut, könnte denken, es wäre für Bands wie diese einfach, auf Tour Geld zu verdienen. Dem ist nicht so, denn der Aufwand für Band, Crew und Helfer, der hinter jeglichem Konzert steckt, ist -nach Pandemie und Krieg in Europa- unkalkulierbar gestiegen. Ohne die Basis unterstützender Fans stellen Live-Gigs für Bands derzeit ein Risiko dar. In diesem Sinne, ist Dankbarkeit angebracht gegenüber all jenen, denen lebendige Kultur wichtig ist. Antihelds Antwort (siehe Setlist) auf „Wenn die Welt brennt“ und „Chaos“ lautet immer noch „Ficken für den Weltfrieden“, und irgendwie beruhigt uns diese Beständigkeit gerade extrem.

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