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Stahlmann – Quarz – Review

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Brandneu auf metallgrauen Regalebenen: „Quarz“ von Stahlmann

Seit 2008 mischen Stahlmann munter mit im Gedrängel des umkämpften deutschen NDH-Marktes. Am 10. Dezember veröffentlichen die Göttinger bei AFM-Records ihr bereits siebtes Album „Quarz“, welches sie direkt zurück in ihre Mit-dem-Strom-Schwimmen-Wurzeln katapultiert. Mit NDH, Deutschrock und Industrial ohne Krusten neu abgemischt erinnert es an das pechschwarze Motto von 2010, das da lautet: „Hass mich – lieb mich“.

Gothics Neue Härte – kurzgefasst: GNH

Am 1. März 2013 erscheint mit „Süchtig“ die erste Singleauskopplung ihres dritten Albums „Adamant“. Es ist bis dato der erfolgreichste Song der Stahlmänner. Ausverkauft bereits am Veröffentlichungstag erreicht das radiotaugliche Lied Platz 6 in den Deutschen Alternative Charts. Nach diversen Wechseln seiner Mitstreiter führt Mastermind Martin Soer gemeinsam mit Mario Sobotka (Gitarre) und Dimitrios ‚Tacki‘ Gatsios (Schlagzeug) die Mannschaft aktuell zurück zur klassischen Variante Neuer Deutscher Härte, die sowohl Quecksilber(2012), Adamant (2013) und CO²(2015) kennzeichnet. Die bereits vorab veröffentlichten Tracks „Sünder“, „Gottmaschine“ und „Krähen der Nacht“ vom Studioalbum „Quarz“ erinnern in ihrer Gefälligkeit eher an kalten Kaffee als an Experimentierfreudigkeit. Insgesamt erheben 10 Songs einen 33,5 minütigen Anspruch darauf, gehört und – wertgeschätzt – zu werden.

Der Nur-Ein-Wort-NDH-Refrain

Mit „Wollust“ steht ein elektrisierendes Tanzbrett an erster Stelle. Verantwortlich dafür zeichnen sich die vibrierenden Synthie-Sounds, die zwischen rhythmischem Schlagwerk, Stampf-Gitarren und Soers hingerotztem „Der Himmel bricht“ für ein Kitzeln der Sinne sorgen.

Trotz zweideutigem Text zählt „Sünder“ musikalisch gesehen zu den Strom-Schwimmern der Kompilation. Was unkeusche Anspielungen wie „Bis am Morgen der Teufel erwacht(Ja)“ betrifft, so äußert sich Fronter Soer zu seinen Texten wie folgt: „Im Vordergrund steht grundsätzlich ein ironisches Augenzwinkern, verbunden mit dem Wunsch an unsere Fans, sich von vermeintlich schweren Inhalten nicht den Kopf platzen zu lassen.“ Smooth relativierend, aber passend.

Ein Anspieltipp für alle, die eskalierenden Krach mögen, ist „Gottmaschine“. Nach einem Auftakt mit weichgestrichenen Saiten schmieden die Stahlmänner ihren typischen 1-2-3-Blast im Takt einer marschierenden Maschinerie aus strenger Herrscherstimme und obsessiven Perkussionen.

Tiere, die im Dunkeln herumgeistern, sind beliebt in der schwarzen Musikerzunft. Krähen beispielsweise gelten als ziemlich klug, sie sind lernfähig, gesellig und kommunikativ, Eigenschaften, die sie mit Menschen teilen. Leider ermüden Songs wie das austauschbare Stahlmann-Epos „Krähen der Nacht“ Kritiker, die, spätestens mit den „Wölfen der Nacht“ von Erdling, oder schon früher, bei Mono Inc. und anderen Vertretern des Gothic-Rock, diese musikalische Herangehensweise abgehakt haben. Es gehe darum, sich neuen Herausforderungen zu stellen, sagt Stahlmann-Schreiber Soer zu seinem Krähen-Text.

Zur heißen Elektronik von „Sonnenreich“ steppen die Füße auch ohne Koffein. Der Dancefloor-Act mahnt, nicht jeder Gottheit Glauben zu schenken.

Und dann segelt der Stahlmann mit packendem Deutschrock „Gegen den Strom“. „Ein kalter Hauch zieht durch das Land, Parolen häufen sich, von den Massen unerkannt, warten auf ein Zeichen, um euch zu infiltrieren, bereit um in der Dunkelheit, alle zu verführen…“, spricht Soers düstere Stimme. Das elektronisch-getaktete „Tatata“ packt den Hörer direkt am Genick und schleift ihn über das steinige Trommelufer direkt in Richtung Meer. Und dann ist Schwimmen an der Wasseroberfläche der Gefühlswelt angesagt.

Getragen von einer mitreißend-sphärischer Elektronik und abgepolsterten Kehllauten, denen es nur marginal gelingt, liebevoll zu klingen, dürfen Lieder wie „Herz und Tränen“, in denen zusätzlich Leid, Ewigkeit und Sinnlichkeit vorkommen, sowohl mitgeträllert als auch weitergeklickt werden.

Gefühlt erinnert die Ballade „Der Sturm“ mit orchestraler Unterstützung an die Witt und Heppner´sche Fluten, doch die Frage nach Gezeiten stellt sich hier nicht. Denn der epische Song versöhnt mit seinen fesselnden Auf- und Ab-Arrangements das schwarze Herz mit dem Bandpoeten.

Metallgrau-geschmiedeter Hardrock par Excellence, mörderische Bilder für die grimmige Fantasie oder „Tobsucht“. Das Lied bzw. die Dröhnung zeigt das Potenzial eines ungeschliffenen Diamanten. Nur 2,5 Minuten wütet der Song mit seiner aggressiven Entladung in den Ohren: „Lauf, renn, hass mich…. Ich fass dich… Du bist Meute, ich lege an…- Es ist Krieg.“

Als längstes Lied auf dem Album animiert „Willst du“ mit Sex, Erotik und einem stimulierenden Rhythmus, sich auf exzessive Abenteuer im Stahlmann-Musikversum einzulassen. Dort gibt es treibenden Metal, ungeschönte Sprache und intensive Schwarztöne. So ist die Antwort auf diese Schlussfrage bereits weiter oben zu finden, sie lautet: Vielleicht.

Fazit:

Auf der Bühne zeigen sich die wie aus der Asche entstiegenen Düsterocker mit silbergepuderten Gesichtern. Vor der Stage eskaliert das Geschehen häufig, denn das Schüttelhaar-Publikum liebt diese Band und deren fleißiges Auftreten auf den entsprechenden Podien. Für Stahlmann läuft es rund. Das Trio Soer, Sobotka und Gatsios verwertet seinen Wiedererkennungswert gekonnt. Doch auf dem neuen Studioalbum „Quarz“ liegen geschliffene Diamanten in einem schwammigen NDH-Flussbett.

Ecken und Kanten erwarten die Fans von einer Band, die sich der Neuen Deutschen Härte verschrieben hat. Und ähnlich einem Silberling vermögen Quarzite unter mechanischen Hammerschlägen scharfkrustig zu brechen. Stahlmann dagegen schleifen ihr Album kreisförmig in der gewohnten Machart: Mit solidem Deutschrock, etwas Metal-Blast, Anklängen von Industrial auf Grundlage weichgespülter NDH. Mit mehrdeutigen Texten, einem düsteren Melodienreigen, vibrierenden Schwingungen aus elektronischer Hand und einer Stimme, die aus der Tiefe Mahnungen ausstößt. Ohne das gewisse Etwas lässt sich damit kein Blumentopf gewinnen. So erhält diese Produktion in Kanada vom renommierten Tonmeister Frank Gryner zusätzlich einen „knallig-druckvollen Sound“ verpasst.

Doch wie kalter Kaffee, der zähflüssig den Hals hinunterfließt, verstreicht die Elektrizität nach dem ersten Hören, denn nur wenige Songs vermögen wie „Tobsucht“ zu knistern. Gefällige Lieder wie „Herz und Tränen“ dagegen dürften es ins Radio schaffen. In den schwarzen Gefilden dazwischen treiben hörbare Hardrock-Kompositionen, denen trotz Gefälligkeit der Kick des Erfolgs fehlt.
Die Konkurrenz ist aktuell mit den neuen Veröffentlichungen von Hämatom und Erdling aufregend aufgestellt. So lasst die Spiele um die Charts beginnen.

Punkte 8,0 von 10.

Tracklist:

CD oder DVD:

01 – Wollust – 2:58 min.
02 – Sünder – 3:55 min.
03 – Krähen der Nacht – 3:54 min.
04 – Gottmaschine – 3:57 min.
05 – Sonnenreich – 2:41 min.
06 – Gegen Den Strom – 3:06 min.
07 – Herz und Tränen – 2:54 min.
08 – Der Sturm – 4:23 min.
09 – Tobsucht – 2:33 min.
10 – Willst Du – 2:54 min.

Gesamtdauer: circa 33 Minuten und 26 Sekunden

Line Up:
Martin ‚Mart‘ Soer (Gesang, Programmings)
Mario Sobotka (Gitarre)
Dimitrios ‚Tacki‘ Gatsios (Schlagzeug)

 

Stahlmann
Quarz
VÖ: 10. Dezember 2021
Label: Afm Records (Soulfood)
Genre: NDH

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Redakteur: Gela