Start Allgemein Amaranthe – Manifest – Review

Amaranthe – Manifest – Review

1969
0

Gastredakteur: gla

Schillernder Pop-Metal mit Amaranthe
Nachdem in diesem Jahr bereits fünf Songs als Videos vorveröffentlicht wurden, folgt im Oktober der fertiggestellte Longplayer der skandinavischen Melodic-Death-Metal-Band Amaranthe. 12 Lieder remixt aus unterschiedlichen Stilen wie Speedrock, Pop, Rap, Musical und harten Klängen, stehen auf der Setlist. Wer sich bereits vom ersten Song angezogen fühlt, wird die Platte lieben. Doch nicht jeder mag den spektakulär abgeschmeckten Silberling, obwohl der ein wenig an „Bohemian Rhapsody“ erinnert.

Musikalisch gesehen

Das nunmehr sechste Studio-Album „Manifest“, überwiegend während der weltweiten Corona-Pandemie produziert, strotzt vor Lebenslust und nimmt den Hörer mit auf eine glanzvolle Festivalparty. Zwischen Themen wie Gut und Böse, Corona-Zeiten und dem Spiel des Lebens spinnen Amaranthe ihren biologisch-bunten „Helix“-Faden weiter zu einem kritischen „Manifest“, in dem sie festschreiben, wofür ihre treuen Fans sie lieben. Sie bedienen den Unterhaltung suchenden Zeitgeist je nach Belieben mit zuckersüßer Melancholie oder feurigem Mitgröhl-Metal.

Zehn ihrer neuen Songs schrappen die (Pop-)Radio taugliche Länge von 3:30 Minuten und schleichen sich in die Gehörgänge, als gäbe es kein Morgen mehr. Bands wie dieser, die sich nicht explizit vom Überangebot ähnlicher Gruppen unterscheiden, bleibt nicht viel Zeit, die Aufmerksamkeit eines On-Air-Hörers zu gewinnen. Doch gerade ihre Stärke, der stimmige Gesang der drei Stimmen zwischen Hart und Zart und das geradezu lustvolle Experimentieren zwischen bösen Songs, berührenden Balladen und Tanzmusik für Headbanger, droht hier zur Schwäche zu werden.

Manifest“ im Detail

  • Schon der Opener „Fearless“ bringt die ganze Wahrheit der musikalischen Amaranthe-Triangel Electronic Pop vs. Symphonic Metal vs. Geschwindigkeits-Rock perfekt zur Geltung. Aus dem Hintergrund erklingt ein Knattern, eine von verzerrten Tasten gespielte Melodie, dann startet die Metal-Rakete: Rau schrappende Speed-Gitarren unterstützt vom fordernden Schlagwerk, einem elektrifizierten Keyboard und – keine Überraschung – die sich perfekt abwechselnden drei Stimmen. Zwischen Klargesang und tief aus der Gruft der Kehle Geknurrtem verkünden die zwei Sänger und die Songschreibende Frontfrau jauchzend ihre Botschaft: „Out of the dark- Into the Sun- I´m in a higher state of mind“. Die Mainstream-Hooks schwappen ohne Zweifel geradewegs ins Ohr, doch das Lied ist weit entfernt von der Härte des Death Metal. Es erinnert in seiner Komposition an Avantasias Metal Opera.
  • Verstärkt wird diese Erkenntnis durch die Zusammenhalt fordernde gesellschaftskritische Mid-Tempo Nummer „Make it better“. Trotz rauer Rockgitarren und orientalischem Elektronik-Gewürz gleitet der Song durch die wenig inspirierenden Gesangsparts ins Mittelfeld ab.
  • Das dynamische „Scream my Name“, unterlegt mit einem hyperventilierenden Keyboard/Trommelgewitter“, zeigt sich musikalisch rund und spannungsgeladen mit einem eskalierenden Drei-Stimmen-Battle.
  • 2020 verbreiten sich Hashtags wie „Ohne Kunst und Kultur wird´s still“ im Netz, doch in „Viral“ geht es um mehr als bedrohte Veranstaltungswirtschaft: Den drohenden Untergang der Menschheit („It’s no doubt that we face extermination“). Nicht nur Roxette-Fans werden den Rock-Pop-Song mit seiner sphärischen Elektronik lieben. Er sollte, Corona zum Trotz, laufen wie geschmiertes Smörrebröd.
  • Adrenaline“ erinnert in seiner Gesamtkomposition an Werke von Nightwish, ohne annähernd deren Wirkung zu erzielen. Nach furiosem Anfang fällt dieser Song ab statt konsequent das Blut weiter in Wallung zu bringen und bietet durchschnittlichen Jubelgesang durchsetzt mit blassen Kehllauten unter sich wiederholenden elektronischen Phrasierungen.
  • Strong“ ist eine clever inszenierte Pop-Rock-Ballade mit einem druckvoll zupackenden Schlagzeug. Die Hymne handelt vom dualistischen Menschen, der zwischen seinem Sein als Teufel oder/und Heiliger lebt. Im Video zum Lied räkeln sich Eliza Ryd (mit der Dornenkrone) und Noora Louhimi von Battle Beast (mit den Teufelshörnern) in einem brennenden Streichholzstern und singen Face to Face.
  • The Game“ gehört wie „Adrenaline“ in die Reihe musikalischer Schon-einmal-gehört-Songs mit hervorgehobenen Drum/Gitarren-Parts.
  • Crystalline“ bietet definitiv die Überraschung dieses Albums und bricht aus dem Raster der anderen Songs aus. Sopran Eliza singt diese mitreißende Pop-Ballade mit glockenheller Stimme im Duett mit ihrem Gesangspartner Nils Molin. Kälte, Kristalle, Gänsehaut, Bittersweet-Gefühle: Disneys Filmmacher würden diese Szene, wo zwei Liebende nicht zueinander kommen können, feiern. Auf dieses Zuckerbrot folgt die Peitsche.
  • Mit inspirierender Elektronik, epischen Growls, hartem Trommelfeuer und Wohoho-Refrain liegt „Archangel“ mit dem Opener-Song „Fearless“ auf gleicher Wellenlänge. Den ungeniertesten, bösesten Song, dessen Thema nicht metallischer sein könnte, stellt Olof in der Pressemitteilung zum neuen Album so vor: „Naja, um euch ein genaueres Bild zu geben, es gibt einen Song über den Fall von Lucifer und die Erschaffung des Satans!“
  • Noch einen Zacken Härte mehr bietet das düstere „Boom!1. Der Song sticht hervor durch den herausgerotzten Growl Rap von Henrik “GG6” Englund Wilhelmsson und ein spannungsreiches Klanggerüst mit dominierenden Trommeln, melodischen Klavierpassagen und geschickt eingesetzter Elektronik. Die Komposition erinnert ein wenig an Linkin´ Park und die beinah körperliche Wut der Worte setzt ein Kopfkino in Gang: Von „Done with the politics, down with the lies“ über „Hell I’m a killer, like Attila, I’m unstoppable“ bis zur Konsequenz „Everything ends with a Boom“.
  • Das musikalische Spektakel nähert sich seinem Ende, zwei Lieder folgen noch, um das Dutzend voll zu machen. Das vorletzte, „Die And Wake Up“, gehört zur bereits angesprochenen Nichts-Neues-Tradition. Der finale Song „Do or die“ reiht sich ein in die showmäßig inszenierten Titel, mit einem Unterschied. In dieser Hardrock-Nummer spielt die Band ihre Stärken gradlinig aus: Gesang und Instrumentierung sind perfekt aufeinander abgestimmt. Thematisch geht es ums Klima und die Konsequenzen, die drohen, wenn die Menschen ihr Verhalten nicht ändern: „So justify your reasons and look me in the eye, so just do or die“.

Musik mit Hang zur Dramatik

Amaranthe machen Musik fürs Festivalfeeling, zum Mitgröhlen, Headbangen und Ausrasten. Die Spielfreude des dänisch-schwedischen Sextetts zündet. Mit kurzen, packenden Songs arbeitet die Band kontinuierlich an radioadäquaten Songs und lebt ihren Hang zu dramatischen Inszenierungen aus. Noch fehlen der Gruppe die epischen Rocksongs, die nachhaltig prägen, wie Queens „Bohemian Rapsody“. Mit „Manifest“ legt die Gruppe ihren Weg Richtung Metal-Musical fest, doch spaltet der Silberling die Metal-Gemeinschaft. Wer gradlinige Kompositionen mag, den überfordert das kreative Hardrock-Spektakel aus Pop-Rock, Überresten von Death-Metal und Hip-Hop. Doch es finden sich bestimmt genügend neugierige Liebhaber anderer Musikrichtungen, die daran ihre Freude haben.

Punkte: 7,5 von 10

Amaranthe
„Manifest“
Label: Nuclear Blast Records, veröffentlicht am 2. Oktober 2020
Länge: 40:13
Musikrichtung: Melodic Death Metal, Symphonic Metal

Tracks:

1. Fearless 3:31
2. Make It Better 3:50
3. Scream My Name 3:03
4. Viral 3:01
5. Adrenaline 3:09
6. Strong 3:06
7. The Game 3:01
8. Crystalline 3:20
9. Archangel 3:23
10. BOOM!1 4:13
11. Die And Wake Up 3:08
12. Do Or Die 3:28 (mit Angela Gossow)

Album bestellen
Amazon

Amaranthe im Web
Homepage
Facebook