Dieses Jahr wurde die Stadt Hameln zum dritten Mal Schauplatz des Autumn Moon Festivals, welches vor allem Liebhabern von Elektronischer Musik, Goth und Mittelalter angehauchten Klängen eine Zuflucht bietet. Wie auch zuvor spielten von Mittags bis Nachts Bands auf den Bühnen der insgesamt fünf Locations unterschiedlichster Größe. So finden am größten Spielort, der Rattenfängerhalle, bis zu 2.700 Besucher Platz, wohingegen das Schiff, was in der Tat ein Boot auf der Weser ist, lediglich 200 Schaulustigen Raum zur Verfügung stellt. Dazwischen gesellen sich die Sumpfblume und das Papa Hemingway, ein kleiner Club einige Meter vom Rest entfernt, doch auch auf dem Mystic Halloween Markt befand sich eine kleine Outdoor Bühne. Dementsprechend konnte man sich auch während man alle möglichen Kunstobjekte, Kleidungsstücke, Leckerein und selbstverständlich die diversen Fressbuden bewunderte, den Klängen von zumeist Folksmusik hingeben. Alternativ auch nur, wenn man von einem Spielort zum nächsten wechselte, denn der Weg führte zumeist über die Marktfläche.

Inkubus Sukkubus
Einleiten durften das Festival die Veteranen des Pagan-Goth-RocksInkubus Sukkubus, um Punkt 15 Uhr in der Sumpfblume. Mit „Messalina“ eröffneten die drei ihr Set und versuchten die gut gefüllten Räumlichkeiten allmählich aus dem Schlaf zu reißen. Spätestens beim allseits bekannten Rolling Stones Cover „Paint It Black“ war das Publikum soweit und endlich in der Lage sich den Klängen von Candia Ridleys Stimme hinzugeben ohne dabei wie ein lethargischer Haufen auszusehen. Ein gelungener Startschuss für das Autumn Moon, allerdings verließen einige bereits vor Ende der Show schon wieder den Saal um zum nächsten Act des Tages zu gelangen.

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Herzleid
Etwas, was man ungern verpassen will ist Rammstein, wenn nicht wegen der Musik, dann zumindest auf Grund der Pyrotechnik. Diese spielten nicht direkt in der Rattenfängerhalle, stattdessen hieß es „Feuer Frei“ für die Tributband der Legenden, Herzleid. Doch anders als viele andere, überzeugt das Sextett durch einen Haufen aufwendige Pyrotechnik, so dass extra für Herzleid die Absperrung vor der Bühne ein gutes Stück vorgerückt werden musste, zur Sicherheit der Zuschauer. Zu der Stimme von Dennis, die sogar recht nah an das Original ran kommt, den tiefen Riffs und wohlbekannten Liedern wie „Ich will“, “Du hast” oder „Asche zu Asche“, wurde die Bühne ein ums andere Mal von Feuerfontänen, umschnallbaren Flammenwerfern und anderen explosiven Effekten erhellt. Auch das typische anzünden des Keyboarders fehlte nicht, in diesem Fall in einer Badewanne. Schon nach kurzer Zeit roch man in der kompletten Halle die abgebrannten Feuerwerke. Dieser Tribut an Rammstein hat es wirklich in sich und lieferte eine grandiose Show ab, die sich keineswegs verstecken muss.

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Klimt 1918
War alles hell erleuchtet bei Herzleid, so hatte man Probleme die alternativ Rocker von Klimt 1918 in den Nebelschwaden im Inneren der Sumpfblume zu erkennen. Ruhig und mit hoher, sanfter und mit reichlich Hall versetzter Stimme begannen sie ihren Auftritt, nur durchbrochen von kleineren härteren Passagen mit reichlich Einsatz des Beckens. Sichtlich hatten die Saitenzupfer ihren Spaß, bei dem Schlagzeuger weiß man es leider nicht allzu genau, weil er hinter der Wand aus Nebel irgendwann überhaupt nicht mehr auszumachen war. Zum Lied „Comandante“ fingen einige Zuschauer mit dem Tanzen an, während die zumeist gemächlichen Titel die Seele massierten.

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Celtica Pipes Rock
Von der Melanchonie ging es weiter zum absoluten Gegenteil: Celtica Pipes Rock, welche die Rattenfängerhalle in Beschlag nahmen. Erstaunlicherweise standen nur vier von den sonst sechs Musikern auf der Bühne, Jane Espie an der Great Highland Bagpipe und Harald Weinkum, seines Zeichens Bassist, fehlten. Dies hielt die übrigen Bandmitglieder jedoch nicht davon ab ordentlich Stimmung zu machen. Zu den schnellen Violinmelodien, Doublebass und Powermetal Riffs gesellten sich komplexe, ansteckende Rhythmen, welche rasch die Menge in Bewegung versetzte. Passend zum fröhlichen Getümmel vor der Bühne drehten auch die Musiker sich im Kreise. Aber auch die Pipe von Duncan Knight trug ihr übriges dazu bei und machte den Celtic Rock erst komplett. Zusammen harmonierten die Musiker, es war eine Freude ihnen bei Liedern wie „Excalibur“ zuzuhören, oder auch ihren eher nordisch angehauchten Stücken zu lauschen. Abschließend geklärt wurden die zwei wichtigsten gestellten Fragen von Celtica Pipes Rock allerdings nicht. So blieben die Mysterien von „Wo ist die andere Socke und sind wir alleine im Universum?“ weiterhin ungelöst. Die Engelsflügel von Aya Georgieva machen wohl nicht allwissend, vielleicht weiß die Waschmaschine zumindest auf eine Frage Rat. Ein wohliges grinsen haben sie dennoch hinterlassen.

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Faderhead

Ein drastischer Genrebruch folgte in Form von Faderhead. Die verspielten Melodien von Celtica wichen tanzbaren Beats und ruhigem, manchmal auch kratzigen Gesang. Ob der Film mit den Texten eher für das Publikum oder für Sänger Sami Mark Yahya gedacht war, sei mal dahingestellt, denn ganz sicher war dieser nicht was die Lyrics anging. Dementsprechend schielte er des öfteren mal hinter sich um einen Blick auf die Worte zu erhaschen. Die Mac OS Menüleiste war bestimmt auch nicht ganz geplant, doch davon ließ sich niemand arg verwirren. Stellenweise wurde im Publikum zur eingängigen elektronischen Musik der Hamburger sich bewegt, andere lauschten lediglich mehr oder minder regungslos.

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Vlad in Tears

Die Fans, die extra für Vlad in Tears anreisten, mussten sich mit einem viel zu kurzen Auftritt der Berliner zufrieden geben. Mit rund 20-minütiger Verspätung stürmte das Quartett die winzige Bühne im Papa Hemingway und legten sogleich mit “Mary” los. Es folgten bekannte Kracher wie “Burn Inside” oder das “Wicked Game” Cover, im Originalen von Chris Isaaks. Die Band konnte sich auch nach dem Auftritt wie gewohnt Zeit für ihre Fans nehmen, obwohl es bereits noch in der Nacht zurück nach Berlin ging, von wo aus sie sich am nächsten Tag nach Bukarest aufmachen sollten. Trotz der arg verkürzten Spielzeit kamen sie bei ihren Zuschauern zum Glück gut an.

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Christian von Aster – Lesung

Um 16 Uhr versammelten sich allmählich die Freunde guter Literatur auf dem Schiff, auf dem um 16:15 Uhr die Lesung von Herrn Christian von Aster stattfinden sollte. Es herrschte eine gemütliche Atmosphäre und der kleine Raum war beinahe komplett belegt. Das Licht war schummrig und als Herr Christian von Aster seine Lesung begann, war der langsam ausklingende Tag draußen vergessen. Er las mehrere kleine Geschichten. Die erste handelte von einer Taube, deren Erfahrungen Christian von Aster versuchte zu “übersetzen”. Und als wäre diese Geschichte nicht amüsant genug, verstand der Autor es auch immer wieder seine Zuhörer mit kleinen witzigen Einlagen zum Lachen zu bringen. Eine weitere Geschichte handelte von Weihnachten in einer Psychiatrie und war so spannend und amüsant, dass man gar nicht merkte, wie die Stunde verflog.


Poetry Slam

Nach der Lesung von Christian von Aster leerte sich der Raum. Poetry Slam ist wohl noch immer nicht so bekannt, was schade ist. Denn wer hier fehlte, hatte etwas verpasst. Poetry Slam – was ist das? Bei einem Poetry Slam treten mehrere Poeten mit selbst geschriebenen Texten gegeneinander an und das Publikum bestimmt via Punktetafel oder klatschen, welcher Text am besten gefallen hat. Danach werden die Punkte zusammengezählt und die beiden Finalisten treten noch einmal gegeneinander an. Auf dem Autumn Moon durfte man vier Poeten in zwei Runden lauschen. In der ersten Runde war thematisch “Grusel” vorgegeben, was perfekt passt, so wenige Wochen vor Halloween. Was bedeutete “Grusel” also für die vier Poeten? Der erste Kandidat begann mit einem Text über die AfD. Ja, hier findet man definitiv modernen Grusel. Doch auch bei den Vorträgen der Poeten fehlten keine Lacher über perfekt und humorvoll beschriebene Szenarien. Ein weiterer Autor trug einen literarisch hochwertigen Text über Werwölfe vor und die einzige Frau in der Runde las einen Text über eine wirklich schaurige Beziehung. Und dies in der für Poetry Slam besonderen Betonung, die jeden Hörer sofort in seinen Bann zog. In der zweiten Runde gab es keine Themenvorgabe, die der Qualität der Texte aber keinen Abbruch tat. Nach dem Auftritt der beiden Finalisten am Schluss, tat man sich schwer mit der Entscheidung wer am besten war und den Sieg verdiente. Der Applaus ist für die beiden Finalisten ohrenbetäubend laut.

Joachim Witt
Er ist ein Urgestein, bekannt seit den 80ern und selbst wenn man sich nicht im ersten Moment an seinen Namen erinnern mag, spätestens der Hinweis auf „Goldene Reiter“ genügt um zu wissen, um wen es sich handelt: Joachim Witt, mit seiner unheimlich kräftigen Stimme. Doch Joachim Witt ist mehr als nur ein Sänger, nein, er ist wortgewandt und zeigt mit seiner Mimik und Gestik auch ein gewisses schauspielerisches Talent, welches beweißt, dass er seine Songs lebt. Manche störten seine Redepausen zwischen den Liedern ein wenig, auf der anderen Seite waren sie aber auch notwendig um das Problem des Stromausfalls beim Gitarristen ein wenig kürzer erscheinen zu lassen.
Abseits seiner Stimmgewalt verstand er es humorvolle und geistreiche Bemerkungen von sich zu geben, aber auch seine Musikerkollegen taten ihr übriges. Anders als auf den Alben waren Gitarre und Bass präsenter, Titel wie „Thron“ wurden somit kräftiger, dennoch nicht weniger rührend. Eines der Highlights blieb jedoch „Geh deinen Weg“, welches sich immer weiter aufbaute bis die Atmosphäre im Refrain geradezu greifbar wurde. Nichtsdestotrotz führte kein Weg an die aufeinanderfolgenden Hits „Die Flut“ und „Goldener Reiter“ vorbei. Kurzum, selbst wenn nicht unbedingt ein jeder sonst mit seinen Songs warm wird, Joachim Witt schaffte es seine Zuschauer in den Bann zu ziehen und bis zum Ende nicht mehr loszulassen.

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Front 242
Ein weiteres Aushängeschild folgte der Legende, allerdings aus einem ganz anderen Genre. Kaum eine Band hat die EBM Szene so geprägt wie Front 242. Mit zwei Sängern, harten Beats und einem maskierten Schlagzeuger bewaffnet, trieb die Musik zahlreiche Fans zum tanzen an. Ebenso düster wie die Musik war auch das Licht, was der Stimmung aber keinen Abbruch tat. Ohne die Shouts von Jean-Luc De Meyer und Richard Jonckheere wäre der Cocktail nicht komplett und zeitweise fügte auch das Publikum die ein oder andere besondere Note hinzu. Obwohl man es den beiden Männern nicht unbedingt sofort ansah, so waren sie erstaunlich agil und blieben kaum eine Sekunde still stehen. Immerzu in Bewegung motivierten sie natürlich auch vor der Bühne dazu, den Schweiß fließen zu lassen. Liebhabern des EBM wurden mit Sicherheit mit den Belgiern warm und verausgabten sich bis zum letzten.

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Resümee des ersten Tages: Obwohl das Autumn Moon ein Jüngling unter den Festivals ist, machen sie ihre Sache erstaunlich gut. Abwechslungsreiche Artisten haben die Möglichkeit sich auszutoben und ziehen dabei ein bunt gemischtes Publikum an. Zwischen Kindern, eingefleischten Elektronik Fans und kunterbunten Huldigern der fröhlichen Mittelalterlichen Klängen kamen auf ihre Kosten. Selbst Leseratten und Anhängern der literarischen Künste hatten mit dem Frühabendlichen Programm auf dem Schiff eine Nische für sich. Falls jemand nichts anzusehen hatte, traf man ihn vermutlich auf dem gut gefüllten Markt wieder, entweder um sich zu stärken oder nur um zu stöbern. Ebenso angenehm war aber auch die Tatsache, dass man sich gegen Abend ans Feuer setzen, hin und wieder einigen Akustikkünstlern lauschen konnte und von lauter fröhlichen Menschen umgeben war, die vielleicht auch den ein oder anderen heißen Met intus hatten. Egal für welche Musik man eigentlich da war, es war ein harmonischer Umgang miteinander. Für viele ging der Tag etwas früher zu Ende, einfach weil es noch ein Freitag war, wo einige einen Arbeitstag hinter sich hatten, so dass man etwas erschlagen sich aufmachte Richtung des warmen Betts um wieder Kraft für den nächsten Tag zu schöpfen, welcher nicht minder vielversprechend sein sollte. Andere hingegen genossen noch die anschließend stattfindende Aftershow Party in der Sumpfblume, bevor sie spät in der Nacht zu ihren Schlafstätten wanderten.